Die andalusische Flora ist schon deshalb sehr abwechslungsreich, da das Land eine große Anzahl verschiedener Lebensräume bietet. Neben diesem ökologischen Angebot ist die Gesamtheit der Pflanzen eines Gebietes aber immer auch das Ergebnis eines historischen Prozesses.
Im westlichen Mittelmeerraum weit verbreitet: Weiße Zistrose
(Cistus albidus). Foto: Jürgen Paeger
Die heute vorherrschenden Pflanzen sind die Angiospermen ("Bedecktsamer" – ihre Samenanlagen sind in einem Fruchtknoten eingeschlossen – im Unterschied zu den Samenanlagen der Nacktsamer, zu denen die Nadelbäume gehören). Sie bestimmen die Vegetation seit dem Tertiär. Zu Beginn des Tertiär herrschte in Europa ein (sub-)tropisches Klima, es wuchsen immergrüne Regenwälder mit Lorbeerbäumen. Der heute im Unterwuchs immergrüner Wälder vorkommende Lorbeer-Seidelbast gilt als ein Überbleibsel dieser Zeiten. Bereits im Oligozän, das vor etwa 40 Mio. Jahren begann, tauchten aber auch trockenheitsertragende Pflanzen auf, die der heutigen Mittelmeerflora ähnelten.
Seit dem Miozän, also vor 22,5 Mio. Jahren, wurde das Klima im Mittelmeerraum immer trockener. Dies führte zum Rückgang der Lorbeerwälder, an ihre Stelle traten zunächst Nadelbäume wie Zedern. Die zunehmende Trockenheit gipfelte schließlich darin, dass vor 5 – 6 Mio. Jahren das Mittelmeer mehrmals austrocknete. In das versteppte Mittelmeerbecken konnten viele afrikanische Pflanzen einwandern, die noch heute vor allem im semiariden Südosten Andalusiens zu finden sind. Die letzte Epoche des Tertiär, das Pliozän, begann vor 5 Mio. Jahren. Vor allem die alpine Gebirgsbildung mit der Auffaltung der Sierra Nevada sorgte für die Bildung neuer Lebensräume und ermöglichte die Entstehung der mediterranen Gebirgsflora.
Kommt nur in den Pyrenäen und in der Sierra Nevada vor: der Gebirgs-Mohn
(Papaver lapeyrousianum). Foto: Jürgen Paeger
Das Quartär war eine Zeit extremer Klimawechsel. Während der
Eiszeiten waren die Temperaturen im Mittelmeerraum um 4 – 6 °C
niedriger als heute, vor allem aber war es noch trockener. Das
trocken-kühle Klima führte zur Ausrottung vieler tropischer Arten,
viele andere Arten wanderten vom Norden ein. Nicht alle schafften in
den Warmzeiten zwischen den einzelnen Eiszeiten die Wanderung
zurück, konnten aber im kühlen Klima der Bergketten überleben. So
besitzt heute jede größere Bergkette eine Reihe von Arten, die nur
hier vorkommen. Besonders reich an solchen endemischen Arten ist in
Andalusien die Sierra Nevada.
Die Eiszeiten sind erst seit etwa 10.000 Jahren zu Ende. Erst
seitdem wurde eine Wiederbewaldung möglich. Zuerst dehnten sich
sommergrüne Laubwälder aus. Das typische Mittelmeerklima entwickelte
sich etwa zwischen 5500 – 6000 Jahren vor unserer Zeit, in der Folge
kam es zu einer Massenausbreitung immergrüner Arten wie der heute
das Mittelmeer charakterisierenden Stein-Eiche.
Die letzte große Veränderung der Flora verursachten die Menschen. Da
ist zum einen die Vernichtung von Arten vor allem durch die
Vernichtung ihrer Lebensräume, zum anderen die Einführung neuer
Arten. In Andalusien weit verbreitet sind heute die mexikanische
Agave (Agava americana in der Provinz Almería) und eine
jamaikanische Opuntie (Opuntia tuna in den Kiefernwäldern der
Provinz Cádiz). Dieses geschieht oft auf Kosten einheimischer Arten:
In den Wälder der Provinz Huelva breiten sich tasmanische
Eukalyptus-Arten an Stelle der Kork- und Stein-Eichen aus.
Als Ergebnis dieser Entwicklungen finden wir in Andalusien eine
Flora, die sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzt. Es gibt
die typischen Vertreter der mediterranen Flora, die man rund ums
Mittelmeer findet. Dazu gehören Arten wie die Kermes-Eiche, der
Erdbeerbaum, Rosmarin und viele andere. Andere Arten sind auf den
Westen des Mittelmeers beschränkt, wie zum Beispiel die Weiße
Zistrose. Daneben gibt es Arten mit iberisch-afrikanischer
Verbreitung; arktisch-alpine Arten wie den Gletscherhahnenfuß und
turanisch-iranische Arten, die wie das Nachtschattengewächs Lycium
intricatum aus den asiatischen Halbwüsten kommen - diese in
Andalusien seltene Art ist in Palästina häufig, aus ihr soll die
Dornkrone Jesu geflochten worden sein.
Besonders interessant sind die Endemiten. Das sind Pflanzen,
die nur in einem sehr kleinen Gebiet vorkommen. Oft sind diese Arten
auch noch extrem selten; ein Beispiel für einen solchen seltenen
Endemiten ist die Sierra-Nevada-Kamille (>> Tier-
und Pflanzenwelt der Sierra Nevada). Darüber hinaus reicht die
Reihe der endemischen Arten in Andalusien von Bäumen wie der
Igeltanne bis zu einem kleinen Kreuzblütler namens Euzomodendron
bourgeanum in der Provinz Almería, vom Cazorla-Veilchen bis zu
zahlreichen endemischen Narzissen-Arten.
Als Folge der aktuellen klimatischen Bedingungen und der
Florengeschichte hat jede Region einen bestimmten Artenbestand.
Dieser dient als Grundlage für die Unterteilung eines Gebietes aus
floristischer Sicht. Andalusien gehört der mediterranen Florenregion
an. Der Hauptanteil mit dem Tal des Guadalquivir und der Betischen
Kordillere gehört zur "typisch andalusischen" Betischen
Florenprovinz. Die Flora der Sierra Morena gehört wegen ihrer
Ähnlichkeit mit der weiter Teile Portugals und der Extremadura zur
Luso-Extremadurensischen Florenprovinz, die Küste im Südwesten
bildet zusammen mit der Algarve die Gaditanisch-Onubisch-Algarvische
Florenprovinz. Der semiaride Südosten mit seinem charakteristischen
Pflanzenbestand gehört zur Murcianisch-Almeriensischen Florenprovinz
und weiter nördlich - etwa in Teilen der Sierra de María - finden
wir Einstrahlungen der Manchego-Kastilianischen Florenprovinz.
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